• Familie: Coenagrionidae – Schlanklibellen
  • Gattung: Nehalennia – Zwerglibellen
  • Art: Nehalennia speciosa (Charpentier, 1840)
  •  

  • DE: Zwerglibelle
  • FR: Néhalennie précieuse, Déesse précieuse
  • IT: Codazzurra pigmea, Dea preziosa
  • EN: Sedgling, Pigmy Damselfly

Wissenswertes

Kleinste und zierlichste Libelle Europas. Wenig flugfreudig und in der dichten Vegetation oft schwer zu entdecken. Beim Aufscheuchen fällt vor allem das blaue Schlusslicht auf. Es ist bei dieser Art nicht verwunderlich, dass sie bei uns viele Jahre als verschollen galt, bevor sie im 2007 wieder entdeckt wurde.

Nehspe10 M SK02
Nehspe20 W SK02
Nehspe21 W SK02
Nehspe22 W SK01
Nehspe30 P SK01
Nehspe40 J SK01

 

Merkmale

Gesamtlänge: 24-26 mm (kleinste Libellenart der Schweiz)

Insgesamt sehr schlank und zierlich, mit kurzen Flügeln und hellen Flügelmalen. Grundfarbe metallisch grün, Thorax und Abdomen unterseits hellblau. Hinterkopf mit hellblauer bogenförmiger Linie, S8-S10 oberseits hellblau gefleckt (erscheint wie ein blaues "Schlusslicht"). Keine runden Postokularflecken, keine Antehumeralstreifen und S10 ohne schwarz. Augen je nach Alter und Geschlecht verschiedenfarbig: blau, hellgrün, braun oder zweifarbig mit dunkler Oberseite. Frisch ausgefärbte Männchen und Weibchen sind identisch gefärbt, Weibchen verfärben sich im Alter stark.

Männchen

Siehe Artmerkmale.

Weibchen

Selbe Merkmale wie Männchen. Bei älteren Weibchen sind die hellblauen Zeichnungselemente orange und braun.

Jungtiere

Zeichnung und Muster gleich wie bei den Adulten, Farben blass.

Belegfoto

M/W: Sicht auf Hinterleib-Oberseite und Hinterkopf.

 

Verbreitung

Ausgedehnte Populationen gibt es nur weit im Nordosten Europas. In Mitteleuropa, am südwestlichen Rand des Verbreitungsgebiets, sind die Populationen stark fragmentiert, an der Arealgrenze sind sie meist vom Aussterben bedroht.

Vor 1990 waren 16 Vorkommen aus dem Kanton Zürich, eines aus dem Kanton Bern und eines aus dem Kanton Thurgau bekannt. Von 1991 bis 2006 galten alle bekannten Populationen als ausgestorben. Erst 2007 wurde eine Population am Neuenburgersee (Kanton Waadt) und eine am Pfäffikersee (Kanton Zürich) wiederentdeckt. Beide Fundorte liegen unter 600 m.

 
Kartenhintergrund © swisstopo; Verbreitungsdaten © info fauna
Diagramme © info fauna

 

Biologie

Phänologie

Schlupfperiode: Mitte Mai bis Anfang Juli (Höhepunkt: Mitte Juni).
Flugzeit: Anfang Juni bis Ende August.

Lebensraum

Nehalennia speciosa besiedelt in der Schweiz ausschliesslich überflutete Seggenwiesen und mit Seggen bewachsene oligo- bis mesotrophe Schlenken in Zwischenmooren mit ganzjähriger Wasserführung und durchschnittlich 10 cm Wassertiefe. Das Wasser ist leicht bis mässig sauer, weich, etwas mineralisch und erwärmt sich im Sommer stark. Die Vegetation hat einen Deckungsgrad von höchstens 70% und ist durchschnittlich 35-50 cm hoch. Die beiden Wasserschlaucharten Utricularia intermedia und U. minor sind gute Zeiger für Zwerglibellenstandorte. Bei beiden bekannten Schweizer Standorten liegt die Vegetationsdecke mit den Fortpflanzungsgewässern auf einer 2 m dicken Schicht aus Wasser oder Torfschlamm auf. Während Trockenphasen kann diese Decke mit dem Wasserspiegel absinken. So bleibt das oberflächliche, seichte Wasser bestehen.

Lebensweise Imagines

Die Reifungszeit verbringt Nehalennia speciosa unweit vom Schlupfort entfernt im dichten Halmgewirr von Seggen oder in Grasbeständen mit dünnen Halmen. Reifungs-, Jagd- Ruhe- und Fortpflanzungshabitat liegen sehr nahe beieinander. Die Art ist wenig flugfreudig und sehr ortstreu.

Nehalennia speciosa lebt versteckt und hält sich meist gut getarnt in dichter Vegetation auf. An warmen Tagen ist sie nur am Morgen und am späteren Nachmittag hoch in der Vegetation zu finden. Um die Mittagszeit verkriecht sie sich in untere Vegetationsschichten, wo sie vor starker Sonneneinstrahlung geschützt ist. Männchen warten auf Halmen sitzend oder wellenartig durch die Vegetation fliegend auf Weibchen. Nachdem die Paarungspartner voreinander auf- und abgetanzt sind, wird das Weibchen in der Luft vom Männchen ergriffen. Die Paarung dauert bis zu drei Stunden.

Die Eiablage erfolgt meist ohne angekoppeltes Männchen in abgestorbene Blätter oder Halme von Seggen.

Der Schlupf findet an Seggen oder Torfmoosen, bis zu 20 cm über der Wasseroberfläche, statt.

Lebensweise Larven

Nehalennia speciosa überwintert im Larvenstadium, die Entwicklung dauert meist 1 Jahr (selten 2 Jahre). Die Larven halten sich im seichten Wasser zwischen abgestorbenen Seggen, Wasserschlauch und Moosen auf, an Stellen wo kaum Feinde und Konkurrenten vorkommen.

 

Gefährdung und Schutz

Nehalennia speciosa ist in der Schweiz vom Aussterben bedroht (CR) sowie in der höchsten Prioritätsstufe (1) aufgeführt. Hauptgefährdungsursachen sind das Austrocknen von Entwicklungsgewässern, die Veränderung der Vegetation durch Sukzession und Nährstoffeintrag sowie Beschattung durch Gehölze und Schilf. Europaweit ist die Art potenziell gefährdet.

Wichtigste Massnahme ist die Erhaltung der beiden aktuellen Vorkommen. Dabei soll unbedingt verhindert werden, dass sich der Grundwasserstand absenkt. Grossseggenbestände sollen regelmässig gemäht, Schilf bekämpft, beschattende Gehölze gerodet und nährstoffreiches Wasser abgeleitet werden. Zusätzlich sollen die Populationen sowie die Vegetation und hydrologischen Verhältnisse regelmässig überwacht werden.

Zum Artenschutzblatt

  • Rote Liste: CR - Vom Aussterben bedroht
  • Nationale Priorität: 1 - Sehr hohe Priorität
  • NHV: Geschützt

 

Ähnliche Arten

Die grösste Ähnlichkeit hat Nehalennia speciosa mit der ebenfalls sehr kleinen Ischnura pumilio. Dabei sind frisch ausgefärbte Individuen beider Geschlechter vor allem mit Männchen, alte und teils sehr dunkle Weibchen dagegen eher mit den Weibchen von Ischnura pumilio zu verwechseln. Wegen der metallisch grünen Grundfarbe kann es auch zu Verwechslungen mit den meist offensichtlich grösseren Lestes spp. kommen.

Ischnura pumilio – Kleine Pechlibelle
Grundfarbe schwarz, kein metallisches grün. Runde Postokularflecken statt durchgehend heller Strich zwischen den Augen. Flügelmal rautenförmig.
M: Mit blauem Schlusslicht auf S9 und hintere Hälfte S8, S10 dagegen wieder schwarz. Flügelmal auf Vorderflügeln zweifarbig.
W: Kein "Schlusslicht", Vulvadorn an S8.

Lestes spp. – Binsenjungfern
Grösser (>30mm), langes rechteckiges Flügelmal, Flügel in Ruhestellung abgespreizt.